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HSD / Alumni, Alumnimanagement, Interview, Empowerment, Gleichstellung
06.12.2023

„Persönlichkeits­entwicklung ist der Anfang von allem.“

Zu Besuch hatten wir jüngst Nicole Susca aus Schwäbisch Hall. Sie ist Alumna der HSD. 1994 machte sie ihren Abschluss als Diplom-Designerin am Fachbereich Design. Seitdem arbeitet sie als Werbetexterin, Dozentin und Autorin. Mit im Gepäck hatte sie ihr Buch „Nicht von gestern Frauen Fragen! Zukunft gestalten“. Unsere HSD-Sprecherin Simone Fischer hat es gelesen und mit ihr darüber gesprochen. In dem Interview geht es um Werte und Werdegänge, Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortlichkeit und darum, seine eigene Rolle für sich zu finden.
 
HSD: Der Titel Ihres Buches lautet: „Nicht von gestern Frauen Fragen! Zukunft gestalten“. Was ist damit gemeint?

Frauen halten sich heutzutage für emanzipiert, agieren aber oft widersprüchlich, eben weil die sogenannten Frauenfragen bis heute kaum beantwortet wurden. Viele finden zwar Lösungen für ihre Lebensumstände, behalten sich dabei jedoch selbst nicht im Blick. Die Chance als Frau die eigene Zukunft aktiv zu gestalten, verliert sich im alltäglichen Erledigungsmodus.
In meinem Buch gibt es dazu konkrete Hinweise und Fragestellungen, die für Frauen jeden Alters wichtige Impulse geben können.

HSD: Beim Thema Emanzipation oder gar Feminismus denken viele zunächst an Alice Schwarzer. Unbestritten ein wichtiges Role Model für die Frauenbewegung der 70er und 80er Jahre. Aber diese Bewegung muss auch mit der Zeit gehen, mit veränderten Parametern, um nicht in einer Einbahnstraße zu landen und das Feindbild Mann zu deklarieren, denke ich. Wie stehen Sie zum Thema Emanzipation?

Meine Emanzipationslücken erlaube ich mir bewusst oder steuere aktiv dagegen an. Jede Frau muss ihren Emanzipationsanspruch für sich selbst herausfinden. Frauen stehen nicht automatisch am selben Ausgangspunkt. Für die eine ist es Emanzipation, selbst eine Deckenlampe anbringen zu können. Für eine andere, wenn sie ihrem Mann sagt, wo es lang geht.
Meine Beobachtung ist: Frauen integrieren in ihrer Lebensrealität oft unbewusst die Annehmlichkeiten, die ein rollenorientiertes Dasein bieten kann. Stets das patriarchalische System als Sündenbock für alles heranzuziehen erscheint mir daher nicht angemessen.

HSD: Was heißt das?

Das patriarchale System ist mit all seinen negativen Auswirkungen vorhanden, hat jedoch auch Grundlagen für unser aller Leben geschaffen, die wir als Gesellschaft nutzen. Männer sind darin ebenfalls ihrer Rolle ausgeliefert. Sie können sich deshalb den geforderten Veränderungen nur annähern, wenn wir Frauen nicht weiterhin den klassischen Beschützertypen begehren.
Im Gegenzug müssten Frauen selbstverantwortlicher werden oder eben aktiv zu einem reflektierten Rollenverhalten stehen. Die Frage: „Wer bin ich und wo will ich damit hin“, sollte für alle Frauen existenziell sein, damit die nötige Selbstwirksamkeit erreicht werden kann.

HSD: Sie selbst haben zwei inzwischen erwachsene Kinder, hatten Angebote von renommierten Verlagen, in Teilzeit-Festanstellungen gearbeitet oder auch freiberuflich. Die ganz große berufliche Karriere, die sich in ihrer Vita zweifellos angedeutet hätte, ist jedoch ausgeblieben. Warum?

Viele Entscheidungen unterlagen in jüngeren Jahren der notwendigen Schaffung von Existenzgrundlagen: Das Opfern von Wertvorstellungen oder die Einschränkung des besserverdienenden Partners kam nicht infrage. Kinder verändern zudem das Weltbild enorm. Dadurch kann das Interesse am Beruf in den Hintergrund treten, vor allem, wenn das Ego nicht durch Karriere bestätigt werden muss, was bei Frauen häufiger vorkommt. Obwohl sich mehr Weitsicht später sicher ausgezahlt hätte, wurde auch in meinem Leben meist nur die aktuelle Lebenslage berücksichtigt.

HSD: Aber genau hier setzen doch Werte wie Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortlichkeit an, für die Sie in Ihrem Buch sensibilisieren …

Ich bin beruflich mit Sicherheit unter meinen Möglichkeiten geblieben. Als mir die daraus resultierende Frustration bewusst wurde, habe ich mich gefragt, warum es vielen so ergeht, wie mir.
Heraus kam mein Buch: Die darin beschriebenen Rollenerwartungen und Mechanismen greifen auch heute noch ineinander. Nicht nur das Scheitern einer Ehe wird von vielen Frauen ausgeblendet, es fehlt auch an den Grundvoraussetzungen für Gleichstellung: Die Konstellation der real vergleichbaren Karriere und Gehaltsstufe kommt in Partnerschaften nämlich von Anfang an viel zu selten vor. In der logischen Folge wird zunächst aus rein wirtschaftlichen Gründen die Karriere des Besserverdienenden vorangetrieben, vor allem wenn eine Familie gegründet wird.

HSD: Welche Rolle spielen für Sie Netzwerke und Netzwerkpflege? Es gibt ja reine Frauennetzwerke und erfreulicherweise inzwischen ja auch gemischte Netzwerke, um sich gegenseitig zu empowern.

Wer beruflich als einsamer Wolf unterwegs ist, niemanden braucht und alles besser weiß, wird den Nutzen von Netzwerken nicht erkennen. Auch Netzwerke lediglich als Plattform zur Selbstdarstellung zu sehen, wird der Sache nicht gerecht.
Inzwischen weiß ich: In Netzwerken entstehen neue - auch fachliche - Impulse, das gegenseitige Interesse und der Blick von außen wirken sich positiv aus. Vor allem Frauen können unter dem Begriff „Sisterhood“ voneinander profitieren, denn sie wissen untereinander um ihre Lebensrealität und die damit verbunden Probleme - auf dieser Ebene fällt der Austausch und auch Empowerment leichter.

HSD: Bereuen Sie es, sich vielleicht hierfür nicht genug eingesetzt zu haben?

Den Stellenwert von Karriere sollte jede Frau für sich selbst definieren, solange ihr die Konsequenzen bewusst sind. Ich persönlich habe da nicht genug Weitsicht bewiesen.
Ich denke jedoch, alles hat seine Zeit. Möglicherweise war anderes für meine persönliche Entwicklung damals wichtiger.
Heute würde ich jedem empfehlen, keine Chance zum beruflichen Austausch und auch zur Weiterqualifizierung ungenutzt zu lassen. Energie sollte vor allem positiv ausgerichtet werden, statt sich durch vorausschauendes Problemdenken selbst zu blockieren. Nur Erfolg macht mutig. Und den haben Frauen auf beruflicher Ebene immer noch viel zu selten.

HSD: Was ist Ihr persönliches Fazit?

Zur Abkehr vom typischen Erwerbsleben führten bei mir ganz klar: Nicht erfüllte Wertvorstellungen, zu niedrige Entlohnung, fehlende Wertschätzung bei der Arbeit und Langeweile bei Routineaufgaben.
Generell möchte ich mit meinem Buch erreichen, dass Frauen sich selbstauferlegten Einschränkungen dieser Art bewusst werden und eigene Lösungsansätze entwickeln können, bevor ausschließlich Benachteiligungen im Außen angeprangert werden.

HSD: Ist das tatsächlich ein reines Frauen-Phänomen?

Nein. Ich denke, gerade die neue Generation ist im Wandel: Im Grunde sind nur noch die männlichen oder weiblichen Persönlichkeitsanteile verbunden mit Rollenerwartungen ausschlaggebend, wie Menschen privat und im Job agieren. Sobald sich niemand mehr in die Ernährer-Rolle drängen lässt und sich Menschen jeglichen Geschlechts den Erhalt von Wertvorstellungen erlauben, wird keine Abgrenzung mehr stattfinden.
Leider ermöglichen nur wenige Job-Konstellationen eine finanzielle Gleichstellung. Deshalb steht heute immer noch meist der Mann als Bollwerk im Job, während er den familiären Rückzugsraum konsumiert, ohne dafür Karriereeinbußen in Kauf nehmen zu müssen. Den Spieß einfach umzudrehen würde zwar neue Rollen-Vorbilder schaffen, das Kernproblem der finanziellen Abhängigkeit wäre jedoch nicht gelöst.

HSD: Wie sehen Sie Ihren weiteren beruflichen Weg?

Durch das öffentliche Interesse an meinem Buch, bin ich als Person plötzlich mehr ins Zentrum gerückt. Die Anfrage als Dozentin zum Thema hat mich beispielsweise überrascht aber auch gefreut. Die darüber hinausgehende berufliche Zieldefinition fällt mir aktuell jedoch nicht leicht, da ich im alten Berufsumfeld nicht mehr arbeiten möchte und sich aufgrund von KI auch vieles im Umbruch befindet.

HSD: Aktuell entwickeln Sie als Autorin Lern-Angebote zu Gender Intelligence. Was kann man sich darunter vorstellen?

Das stimmt, hierfür suche ich jedoch noch nach einem geeigneten Verlag, bzw. wäre eine Schulkooperation sinnvoll. Lern-Angebote zu Gender Intelligence befähigen junge Menschen das stringente Rollen und Gender-Denken zu erkennen und zugunsten einer weltoffenen Haltung zu verlassen. Diese Inhalte könnten im Deutsch oder Ethikunterricht bearbeitet werden. Mein Ziel dabei: Wer andere Menschen weniger in ihrer Attitüde wahrnehmen kann, sondern mehr darin, was ihnen wichtig ist und was sie tun, wird auch später dem modernen Anspruch von anerkannter gesellschaftlicher Diversität gerecht werden können.

HSD: Was würden Sie Ihrem 16-Jährigen Ich heute mit auf den Weg geben?

Definiere dich nicht über die Wertschätzung anderer, finde deinen eigenen Wert, deine eigenen Ziele und lerne mit Schwächen umzugehen, statt fehlende Selbstliebe durch einen Partner auszugleichen. Persönlichkeitsentwicklung ist der Anfang von allem.​​



Simone Fischer, Sprecherin der HSD, im Interview mit Alumna Nicole Susca
Simone Fischer, Sprecherin der HSD, im Interview mit Alumna Nicole Susca.
Autorin Nicole Susca
Autorin Nicole Susca
Alumna Nicole Susca und Raffaela Kalmbach, Alumni-Management HSD.
Alumna Nicole Susca und Raffaela Kalmbach, Alumni-Management HSD.